Enttäuscht war sie, die Klientin: Erst hat ihr dieser Kerl ewig schöne Augen gemacht, dann ist sie aller Vernunft zum Trotz mit ihm ausgegangen und jetzt ruft er nicht mehr an und beantwortet auch keine SMS – er sei im Stress.
Eine Freundin erzählt mir: Sie hat ihrem Chef mutig gesagt, dass sie gerne die ausgeschriebene Stelle hätte, sich nach seinen Wünschen voll ins Zeug gelegt und nun wurde jemand anderes befördert. Und auch mir kommt das Gefühl bekannt vor: Die Mutter hat sich von mir einen Kuchen zum Geburtstag gewünscht, ich habe ihn brav gebacken und dann stellt sich heraus, dass sie welchen gekauft hat. Frust! Ärger! Diese Störenfriede! Oder, auch treffend: „Unschriedefrieder“. So hat meine Kindheitsfreundin Sylvia das ausgedrückt. „Unfriedenstifter“ hat sie gemeint …
Es gibt in jedem Leben Momente, in denen wir ohnmächtig vor Wut, zutiefst verletzt, verwirrt und aufgeregt sind – weil jemand anderes nicht so gehandelt oder entschieden hat, wie wir es uns gewünscht haben. Wie es „ja eigentlich richtig“ wäre. Ein Störenfried hat unseren Frieden auf dem Gewissen …
So richtig lachen kann man in solchen Momenten nicht, obwohl das sehr befreiend wäre: Wir sind unglücklich und Schuld daran hat nur diese Person mit ihrem uns gegenüber vollkommen ungerechten Handeln - jeder kennt es, dieses Gefühl. Es ist nicht schön, so zu empfinden, und wir fühlen uns machtlos angesichts der Gewalt, die andere Menschen darüber haben, wie es uns geht. Macht über das haben, was nur uns selbst gehören sollte: unseren inneren Frieden. Vielleicht lässt einen dieses Gefühl schon gar nicht mehr schlafen: „Die gemeine Mutter, der ungerechte Chef, dieser arrogante Mistkerl mit seinem Hipster-Haarschnitt, die haben meinen Frieden geklaut. Wer hat ihnen das erlaubt?“ Und dann trifft einen die Erkenntnis:
„Das war ich. Ich höchstpersönlich habe anderen erlaubt, meine Gefühle so zu beeinflussen, dass ich mich nun schlaflos herumwälze, traurig und wütend bin und mich selbst in Frage stelle. Warum?“
Miss Annie
Wenn du dir diese Frage stellst, bist du wirklich tapfer und aufrichtig mit dir selbst. Und du hast die Antwort schon gefunden: Du hast deine Grenzen nicht ausreichend geschützt. Vielleicht hast du sie dir noch nicht einmal verdeutlicht. Du hast die Wünsche und Bedürfnisse eines anderen Menschen vor die deinen gesetzt.
Was wäre passiert, wenn ich nicht gestresst einen Kuchen für meine Mutter gebacken hätte? Es wäre möglich gewesen einen zu kaufen, oder den Wunsch einfach als Wunsch eines anderen Menschen und nicht als etwas Zwingendes wahrzunehmen. Die Klientin hätte sich nicht zu einem Date überreden lassen müssen, denn es gab sicher Gründe für ihre Vorbehalte. Spätestens aber nach der Erkenntnis, dass diese andere Person offenbar nicht an einer weiteren Kommunikation interessiert ist, hätte sie sich von ihr verabschieden können. Sie ist genauso toll wie du und hat es ebenso verdient, ihre Zeit mit Menschen zu verbringen, die das auch schätzen können. Meine Freundin hätte sich auf eine andere Stelle bewerben können oder hinterfragen, warum ihr diese Beförderung so wichtig war (sie hat inzwischen beides getan). Es gibt noch hundert andere Möglichkeiten, wie sie, ich oder du hätten reagieren können. Aber warum eigentlich re-agieren, wenn wir agieren können? Warum dich ärgern, warum traurig sein, wenn alle Macht bei dir liegt?
Am Ende läuft es darauf hinaus, dass wir die Handlungen anderer als Werturteil über uns als Person interpretieren und dieser Interpretation mehr Gültigkeit einräumen als dem, was wir über uns selbst wissen. Niemand kann deinen inneren Frieden stören, wenn du es ihm nicht erlaubst. Es ist nicht möglich, das Tun eines anderen zu bestimmen. Aber du bestimmst über deins. Dein Friede sei mit dir. Marsch mellow!