Es gibt Momente, in denen wir aus unserer Mitte gerissen werden. Wir straucheln, wüten, zweifeln. Hart erarbeitet hatten wir uns diese Mitte – aber ganz egal wie sehr wir darum bemüht sind im Vertrauen zu sein, wie positiv, wie unabhängig von Beurteilungen: Auf einmal steht wir knöcheltief im Mist. Manchmal könnte man glatt verzweifeln. Kopf hoch - es ist alles gut! Wieso? Finde es heraus.
Ab und zu geschieht es zum Glück, dass Menschen sich fragen, ob sie nicht eigentlich vollkommen in Ordnung sind, wie sie sind. Ob sie nicht als fehlerhaftes, weil menschliches Geschöpf genau so sein sollen, wie sie sind: Perfekt in ihrer Unperfektheit, die es erst möglich macht, neue Erkenntnisse zu gewinnen, zu wachsen und sich zu entwickeln.
Alles ist gut, wie es ist.
Vielleicht hast du diesen Gedanken auch schon gehabt, vielleicht sogar die Erfahrung machen dürfen? Und trotzdem kommt es immer wieder zu Ereignissen, die uns aus unserer neu gefundenen Mitte reißen: Wut, Angst, Sorgen, negative Gedanken, Zweifel … plötzlich sind sie da. Stellen uns infrage. Klar – wir sind auf dem Weg, nicht am Ziel. Weit weg von Buddha, aber doch, es war eigentlich schon ganz gut; eigentlich, und dann – zack. „Es darf einem einfach nie zu wohl werden!“ hat eine meiner Vorfahrinnen bei solchen Gelegenheiten immer geseufzt. So als säße irgendwo ein strafender Gott, der, wenn er sieht, es geht uns gut, die Peitsche knallen lässt: „Jetzt beenden wir mal diesen Höhenflug! Runter mit dir!“
Haben wir uns an den Gedanken gewöhnt, dass es normal ist, nicht glücklich zu sein? „Ja, okay, ich bin natürlich schon manchmal glücklich, aber doch keinesfalls auf Dauer. Sowas unrealistisches! Es kann einem ja nicht immer nur gut gehen!“ Stimmt, dachte ich bei solchen Einwänden, natürlich nicht. Andererseits: Warum denn eigentlich nicht? Ich verstehe, dass dieser Gedanke provokant ist. Ich selbst fühle mich von ihm herausgefordert, will sagen: Ja, aber! Aber, was? Aber - weil das eben so ist? Aber - weil Dauerglück sehr unwahrscheinlich ist? Gut. Unwahrscheinlich, das impliziert: Immerhin möglich. Halten wir es also wenigstens für möglich, dass es uns dauerhaft gut gehen kann. Ein guter Ausgangspunkt.
Was uns bei dieser Annahme, wir könnten grundsätzlich gesund und glücklich sein im Weg steht, ist die Erfahrung, dass es in jedem Leben Ereignisse gibt, die wir als negativ empfinden: Krankheit, den Verlust geliebter Menschen, Konflikte mit anderen und uns selbst oder die schlichten Banalitäten des Alltags. Nervt. Tut weh. Macht wütend. Raubt einem die Energie. … Ja? Tun diese Dinge das tatsächlich? Oder sind sie einfach nur da und der Rest ist es eine Frage unserer Bewertung?
Glück ist ein Augenblicksgefühl
Während wir auf unserem individuellen Weg zu einem Selbst sind, das uns mehr entspricht als das, was wir aufgrund unserer Prägungen und Erfahrungen gerade leben, werden wir immer wieder mit Dingen konfrontiert, die sich ihrer grundsätzlichen Natur nach ähneln. Die Aufgabe stellt sich, wir bewältigen sie, atmen durch, klopfen uns zu Recht auf die Schulter … und Schwupps, einige Zeit später stehen wir vor derselben Situation in neuem Gewand. Es ist so anstrengend! Man fragt sich unweigerlich, warum einem das passiert: Was habe ich nicht verstanden? Was habe ich die ganze Zeit übersehen? Bin ich doof?
In letzter Zeit passiert es mir wieder häufiger, dass ich mit einer meiner „Nachsitzaufgaben“ konfrontiert werde. Ich möchte in die Tischplatte beißen oder gegen eine Wand hämmern und laut „Wieso! Warum! Warum jetzt!“ schreien und bin gleichzeitig wütend darüber, dass ich wütend bin. Ja, ja, ich weiß – es geschieht alles zu meinem Besten. Ich darf wachsen und mich darüber freuen, dass ich in dieser Aufgabe eine neue Chance bekommen habe mich zu entwickeln. Sagt Miss Annie, die kluge Frau. Der Rest von mir will ausrasten: „Scheiß auf den ganzen spirituellen Kram, man wird ja wohl noch wütend werden dürfen, vielleicht sind wir sowieso alle komplett wahnsinnig. Energiearbeit, ach was, Trommeln, Geistheilung, hör mir auf!“
Ja, manchmal rede ich so mit mir und verdächtige mich, mich aus Versehen selbst gebrainwashed zu haben. Ich erzähle mir, dass ich irgendwann aufwachen werde aus meiner Traumwelt und feststelle, dass ich jahrelang vollkommen blödsinnig wie eine Sektentante über die gedachten Wiesen visualisierten Regenbögen entgegengehopst bin, die gar nicht existieren. Die es nicht gibt, in keiner Verfasstheit. Religiöse Menschen nennen das vielleicht eine Glaubenskrise. Aber mein Partner ist Naturwissenschaftler und wenn er an Grenzen der Erklärbarkeit stößt, habe ich ihn schon seufzen hören: „Irgendwann wird mir das alles vielleicht zu blöd und dann sage ich mir: Ok! Gott hat alles gemacht, fertig ab.“ Es ist menschlich und sehr vernünftig, sich selbst und den eigenen, manchmal anstrengenden Weg kritisch zu hinterfragen.
Wenn ich mich wieder beruhigt habe, zurückblicke auf meine bisherigen Erfahrungen und feststelle, dass eine spirituelle Sichtweise mein Leben sehr bereichert und ich mich damit besser fühle als je zuvor bin ich wieder ruhiger. Und das ist der Moment, in dem sich mir meistens offenbart, was ich aus der Begebenheit lernen kann, die gerade mein Gleichgewicht gestört hat. Wie ich den Mist als Dünger verwenden kann. Ich wünsche dir, dass du ebenfalls zum Luft holen kommst, damit du dein Geschenk auspacken und es annehmen kannst. Viel Freude mit deinem Mist!