Wenn du empathisch bist, also sehr leicht das fühlen kannst, was andere Lebewesen empfinden, ein Gespür für die Atmosphäre an einem Ort oder die Stimmung einer Gruppe hast, kennst du vielleicht Momente, in denen dich diese Energien überfordern. Spannungen unter Kollegen, der Umgang mit kranken oder hilfebedürftigen Menschen oder einfach sehr viele Emotionen auf einmal können überwältigend sein. Entdecke, wie du dir in solchen Situationen selbst helfen kannst.
Ich war in meiner früheren Tätigkeit als Sozialarbeiterin oft in Situationen, in denen es wichtig war, professionelle Distanz zu wahren. Verliert man als Helfer diese Abgrenzung, verschiebt sich die Perspektive: Man ist ebenso in das Problem verstrickt wie die Person, der man Unterstützung leisten möchte. Nicht gut. Gar nicht gut. In aller Regel lernt man in einem helfenden Beruf recht schnell, wie man sich selbst trotz grundsätzlicher empathischer Fähigkeiten auf Abstand hält. Das ist nötig, denn der Sozialarbeiter, der mit einem missbrauchten Kind in Entsetzen erstarrt, hilft niemandem – so wenig wie eine Altenpflegerin, die angesichts der verzweifelten Angehörigen eines Sterbenden in Tränen ausbricht oder ein Physiotherapeut, der die Rückenschmerzen seiner Patientin selbst empfindet.
Auch wer nicht in einem helfenden Beruf oder einem entsprechenden Ehrenamt tätig ist, tut gut daran, sich nicht in die Energie eines Ortes oder einer Person hineinziehen zu lassen – es ist für Empathen oft nicht so leicht zu erkennen, was nun die eigenen Gefühle sind und welche man nur „aufgefangen“ hat. Vermutlich haben so ziemlich alle Menschen die Fähigkeit, die herrschende Stimmung zu spüren, wenn sie einen Raum betreten. Ob das Intuition ist oder aus der instinktiven Deutung von Körpersprache und Raumgestaltung resultiert, spielt letzten Endes keine Rolle. Wir fühlen mit. Ist die Stimmung schlecht, liegen „negative Vibes“ in der Luft, dann kann uns das den Tag schon vermiesen, ohne dass es einen anderen Anlass dafür gibt. Klingelt dann noch dauernd das Telefon und der Kopierer spinnt, sind die Nerven im Handumdrehen hauchdünn. An solchen Tagen schnauzt man dann vielleicht grundlos die Partnerin an oder regt sich furchtbar über die aufsässigen Kinder auf, die ja im Grunde nur deshalb so unglaublich nervtötend sind, weil sie die aufgeladene Atmosphäre ebenfalls deutlich empfinden. Oder fühlst du dich ausgesaugt, kraftlos, bedrückt?
Es gibt also gute Gründe, für Abgrenzung zu sorgen.
Wenn du damit Schwierigkeiten hast, kannst du dir mit einer einfachen Übung behelfen: Visualisiere eine schützende Sphäre um dich herum. Stell dir bildlich vor, dass eine Kugel aus Licht dich umgibt. Du kannst vielleicht ihre Wärme spüren, wenn du dich darauf konzentrierst. Lass sie größer und kleiner werden, um herauszufinden, wie sie sich gut anfühlt. Die Farbe des Lichts kannst du ebenfalls verändern und in dich hineinspüren, was sich in diesem Moment gut für dich anfühlt. Davon ausgehend, dass alles im Universum Energie ist – und Materie einfach nur sehr stark verdichtete Energie – kannst du durch deine Gedanken und Vorstellungen eine tatsächliche Veränderung bewirken. Wenn dir die Vorstellung schwerfällt, dass deine Lichtkugel tatsächlich etwas bewirkt, probier es einfach aus und schau, was diese Visualisierung für dich tut.
Du kannst die Lichtkugel entstehen lassen, indem du dir vorstellst, wie deine Energie, dein inneres Licht durch deine Poren nach außen tritt und sich dort zu einer Sphäre formt. Du kannst dir vorstellen, wie eine fertige Kugel auf dich herunterschwebt oder aus der Erde zu dir emporsteigt. Du kannst gedanklich einen liegenden Kreis auf Höhe deiner Körpermitte um dich herum ziehen und ihn dann anschubsen, damit er sich immer schneller um dich dreht, bis er eine Kugel formt. Oder lass zwei Hälften zusammenklappen, aktiviere deine Schilde als Gitternetzwerk strahlender Feldlinien – du findest sicher auch eigene Herangehensweisen, um dir deinen ganz eigenen Raum zu erschaffen.
Stelle deine Lichtkugel her, bevor du deinen Besuch im Krankenhaus machst, deine Klienten triffst, ins Kundengespräch gehst, den Termin bei Gericht wahrnimmst oder auf die Bühne trittst. So stellst du sicher, dass die Dinge dir von vorn herein nicht zu nah treten. Aber auch dann, wenn du in einer Situation spürst, dass es dir zu viel wird, ist deine Lichtkugel eine Möglichkeit, dir Erleichterung zu verschaffen. Wie dünn oder dick die Wände sind, ob solide wie Glas oder durchlässig wie Seide – es ist deine Entscheidung. Richte dich nach dem, was sich gut für dich anfühlt im jeweiligen Moment.
Auch im physischen Raum kannst du natürlich Maßnahmen treffen, um die Qualität der Umgebung für dich und andere zu verbessern. Ich persönlich finde, dass eine brennende Kerze – und sei es nur ein Teelicht – sehr positiv wirkt. Als ich an einer Schule in meinem kleinen, fensterlosen Büro eine Duftkerze angezündet habe, lockten der beruhigende Vanillegeruch und das Licht immer wieder Menschen zu mir – „einfach so mal reinschauen“ wollten sie. Eine angebotene Tasse Tee, eine Schale mit Bonbons, gut versorgte Zimmerpflanzen oder freundliche Bilder an den Wänden heben die Stimmung ebenfalls. Gute Erfahrungen habe ich auch mit einem Zen-Garten für den Tisch gemacht: Viele „Problemjugendliche“ konnten sich schnell beruhigen und über Dinge sprechen, während sie im feinen Sand mit einem kleinen Holzrechen und Steinen Arrangements gebildet haben. Auch wenn du kein Sozialarbeiter, Therapeut oder sonstiger professioneller Helfer bist: Selbst in einer Alugießerei macht sich ein Bild von einer ruhigen Naturlandschaft hervorragend. Vielleicht braucht es dann gar keine Lichtkugel mehr – oder nur eine ganz feine.