Der Mensch ist ein Erfahrungswesen, sein Leben steckt voller Erfahrungen. Meistens beschäftigen wir uns mit den Erfahrungen, die uns weniger Freude bereitet haben. Wir sollten hierbei nicht vergessen, dass jede Medaille zwei Seiten hat und oft verwandeln sich gerade die negativen Eindrücke in positive Erfahrungen. Wenn wir das dann bemerken, ist es ein großes Geschenk.
Solch eine beeindruckende Erfahrung konnte ich erst kürzlich machen und ich bin sehr dankbar dafür, denn sie hat meine Art und Weise zu denken verändert. Ich möchte gerne mit dir teilen, was alles passieren kann, wenn man einfach eine Kerze anzündet …
Vermutlich war ich in einem früheren Leben mal Sissi, oder wenigstens eines ihrer Pferde. Nein, ich glaube eher doch Sissi – wir haben viel gemeinsam. Deshalb zieht es mich vielleicht auch so extrem nach Österreich, ich liebe dieses Land einfach. Letzten Herbst war ich in Wien und natürlich gehörte der Besuch im beeindruckenden Sissi-Museum zur Pflichtübung. Es verschlug mich aber auch in das Innere des „Stepherl“ (Stephansdom).
Ich gehe nicht besonders gerne in Kirchen und trotzdem besichtige ich ab und an ein bekanntes Bauwerk. Meistens bleibe ich dann in den Ecken hängen, in denen man Kerzen für seine Lieben anzündet.
Ich zünde jedes Mal eine Kerze zum Dank an und fühle mich bei dieser Handlung der Geistigen Welt immer sehr nahe. Das hat nichts mit der Kirche zu tun, das ist auch zuhause so. Ich wollte deshalb auch im Stephansdom ein Licht hinterlassen:
Ich zündete eine Kerze an, schloss die Augen und genoss die Stille, den Frieden, als plötzlich wie aus dem Nichts ein Mann neben mir auftauchte und mir ziemlich resolut folgenden Satz ins Ohr raunte:
„Gott will nicht angebetet werden – er möchte erfahren werden.“
So schnell wie er auftauchte, war er auch wieder verschwunden und ich fragte mich, ob er wirklich da war, oder ob nur ich ihn wahrnehmen konnte. Ich fühlte mich durch ihn in meiner Meditation gestört. Wenn ich ehrlich bin, ärgerte es mich richtig. Jedoch beschäftigte mich dieser Satz und ich begann mir Gedanken zu machen.
Was bedeutet denn Anbetung?
Laut Wikipedia bedeutet Anbetung Verehrung, Bewunderung eines Gottes oder eines Idols. Heißt für mich, da gibt es jemanden, der mich so fasziniert, den ich für sein Handeln, sein Auftreten, seine Art bewundere. Der aber für mich unerreicht bleibt, der ist irgendwo, da komm ich sowieso nie hin. Es gibt ihn, das hat aber auf mein Leben keinen Einfluss.
Das hat also mit Erfahrung wirklich nicht viel zu tun. Was hat es nun mit der Erfahrung des Göttlichen, oder wie immer wir ihn nennen wollen, auf sich? Wann und auf welche Weise erfahre, spüre, empfinde ich das Göttliche? Meine persönliche Antwort darauf lautet: Er ist doch nicht nur in einem Gebäude gegenwärtig, er ist mitten unter uns. Er gehört zum Leben, in das Leben eines jeden Einzelnen. Was nützt mir die Anbetung, wenn ich das nicht verstehe. Er ist nicht nur der Schöpfer, er ist die ganze Schöpfung und da ich ein Geschöpf bin, bin ich Teil der Schöpfung. Ich erfahre dieses allumfassende Wesen täglich in mir selbst.
Schwupps, so einfach ist das! Ich brauche gar nicht nach dem „Wie“ zu fragen. Ich darf nur jeden Tag mit offenen Augen durchs Leben gehen und schon erfahre ich die Schöpfung bei allem was mir begegnet, bei allem was mir geschieht. Gott oder das Göttliche ist die Erfahrung, welche jeder Mensch im Laufe seines Lebens macht. Unsichtbar, aber fühlbar.
„Ich glaube an Gott, so wie ein Blinder an
die Sonne glaubt. Nicht weil er sie sieht,
sondern weil er sie fühlt.“ - Phil Bosmans
Ich hätte es nicht treffender sagen können.
Ich habe in meinem Leben sehr viele eigene Erfahrungen benötigt, bis ich für mich eine Erklärung für die Existenz des, so will ich es nennen, Göttlichen, des Allumfassenden gefunden habe. Es ist nicht der Glaube an diesen älteren Herrn mit weißem Bart, der im Himmel wohnt. Es ist der Glaube an mich selbst und das Vertrauen in die Schöpfung, was mich all die Wunder des Lebens erfahren lässt. Dazu gehören auch die weniger angenehmen Erfahrungen, vielleicht auch gerade die. Daraus ziehe ich die Lehren für mein weiteres Leben und bin somit mein eigener Schöpfer. Das Leben mit all seinen unterschiedlichen Facetten annehmen wie es ist, wie es war und wie es sein wird. Das ist Gotteserfahrung! Ich bin die Erfahrung.
Au Backe, so viele Erkenntnisse aufgrund einer in Sekunden zugeraunten Bemerkung. Da hat sich der Abstecher in die Kerzenecke des Stephansdom doch gelohnt. Inzwischen hat sich mein Ärger über die Störung in Dankbarkeit verwandelt. Vielen Dank, mein lieber Unbekannter, für deine Äußerung. Die Dinge sind wohl nicht immer das, was sie zu sein scheinen. Ob ich wirklich Sissis Pferd gewesen bin habe ich im Stephansdom zwar nicht herausgefunden - aber den Schöpfer durfte ich in mir entdecken.